Zweifel ist des Steelheaders Feind

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Die Steelheadfischerei gilt unter den Fliegenfischern oft als fantastische Fischerei. Selbst habe ich jahrelang von einer beeindruckenden Natur und naturbelassenen Flüssen geträumt. Viele Jahre später war es dann soweit, dass der Flug in den Norden British Columbias gebucht war und das Abenteuer Steelhead beginnen konnte. Mittlerweile waren es einige Trips bei der ich die Fischerei erleben konnte. Vor einigen Jahren war der Stand der Zweihandfischerei in Nordamerika bei weitem nicht so weit wie heute. Die moderne Entwicklung der Ruten und Schnüre erleichtert einem die Fischerei enorm, da die modernen Ruten- Schnursysteme unheimlich leicht zu werfen sind und die Technik relativ leicht zu erlernen ist.
Doch egal ob damals oder heute. Das Grundproblem war das gleiche: man kannte sich als Neueinsteiger in diese Art der Fliegenfischerei nicht aus. Internetforen, Fischerfreunde, der Fachhandel und die Internetrecherche halfen dabei sich erste theoretische Kenntnisse anzueignen.

Eine wilde Steelhead aus British Columbia
Eine wilde Steelhead aus British Columbia

Heute ist eine Zweihandrute der Klasse #7 bis # 9 mit einer Länge zwischen 11‘6‘‘ und 13‘6‘‘ Fuß die klare Empfehlung in Sachen Ruten zum erfolgreichen Steelheadfischen. Dazu gehört ein gutes Backing, eine Running Line und dann ein moderne Skagit Schußkopf (RIO SkagitMax oder Skagit iFlight) mit einer entsprechenden Spitzenauswahl (MOW Tips oder 15 Fuß Sink Tips). Auch die Rolle mit einer sehr guten Bremse und genügend Fassungsvermögen ist absolut wichtig, um im Falle eines Falles gut gerüstet zu sein. In Sachen Fliegen waren die Intruder vor einigen Jahren  nur Insidern bekannt. Aber in den letzten Jahren haben sich die Intruder (mit nach hinten versetzten Haken) absolut an den großen Flüssen British Columbias durchgesetzt. Es gibt kaum noch einen Fliegenfischer, der keine Intruder in seiner Fliegenbox hat. Dann noch etwas Vorfachmaterial mit den Stärken 0,30 bis 0,40 mm und schon kann es fast losgehen. Natürlich benötigt man auch Wathose, Watschuhe usw. aber das soll hier nicht der Schwerpunkt sein.

Wie erwähnt ist die richtige Gerätezusammenstellung schnell geschehen. Auch die Reiseplanung wie Flug, Unterkunft, Mietwagen sind alles Hürden, die relativ einfach zu meistern sind. Wirklich ernst wird es nämlich spätestens, wenn man vor Ort im Fly Shop steht und sich seine Lizenzen gekauft hat. Denn dann steht dem Abenteuer Steelheadfischerei wirklich fast nichts mehr im Weg…

Der nächste Schritt ist nämlich die Frage in dem fremden Land: wo fahre ich eigentlich an diesem riesigen Fluss hin? – Wenn nicht gerade ein Guide parat steht, der einem fast auf den Meter genau sagen kann wo die Fliege landen soll. Auch bei der Wahl der richtigen Stellen kann das Internet und Google Earth sicherlich weiterhelfen. Aber ein Steelhead hängt dann noch lange nicht am Ende der Schnur. So gilt es nun einen verdächtigen Pool zu suchen und seine ersten Würfe in dem vermeintlichen Traumwasser zu machen. Oft ist die Kulisse beeindruckend und mit etwas Glück kann man in der Tat Weißkopfseeadler oder sogar mal einen Bären beobachten.

Unglaubliche Weiten
Unglaubliche Weiten

Meist trifft man an den öffentlich zugänglichen Pools andere Fischer, was einem grundsätzlich ein gutes Gefühl gibt. Ich versuchte damals das am heimischen Gewässer Erlernte in der Strömung stehend umzusetzen und hofft irgendwie, dass seine Fliege richtig läuft. Gewissheit hatte ich natürlich nicht. Schnell lernt man, dass es ein Rotationsprinzip an den Pools gibt und ich nach ein paar Würfen auch einige Schritte flussabwärts machen sollte. So hat auch ein nachfolgender Fischer die Chance den Pool zu befischen. So wird Wurf um Wurf in dem vermeintlichen Traumwasser gefischt von dem die Fliegenfischerwelt redet und nichts passiert. So vergeht Minute um Minute und Stunde um Stunde – ohne zu wissen, ob ich das Richtige tue oder nicht. Gut ist dann, wenn wenigstens ein benachbarter Fischer mal einen Biss bekommt oder zumindest erzählt, dass er einen Biss hatte. Das gibt Zuversicht und lässt einen darauf hoffen, dass die eigene Fliege richtig läuft und von einem Steelhead gepackt wird. In den Fly Shops vor Ort wird jedem gesagt „A steelhead a  day is good.“ Genau an diesen Satz klammert sich nahezu jeder Anfänger der Steelheadfischerei. Denn ein Steelhead kann auch in der Abenddämmerung oder der letzten Minute des Tages einsteigen und einem einen atemberaubenden Drill bieten. Im Gespräch mit anderen Fischern wird einem schnell bestätigt, dass ein gesundes Selbstbewusstsein bei dieser Art der Fischerei notwendig ist. Nicht umsonst heißt der Steelhead auch der „fish of thousand casts“ (Fisch der tausend Würfe). Das mit dem Selbstbewusstsein ist so eine Sache. Je weiter der Tag voranschreitet je mehr fängt man an sich und seinem Equipment zu zweifeln. Läuft die Fliege in der richtigen Tiefe? Fische ich am richtigen Platz? Sind überhaupt Fische da? Ob es vom anderen Ufer nicht doch besser wäre? Wie teuer war die Anreise an diese Fluss? Lohnt sich das überhaupt? Ist es überhaupt die richtige Fliege? usw.
Fragen über Fragen schwirren einem durch den Kopf und man fängt wirklich an sich und der Ausrüstung zu zweifeln.

Jubel über den ersten Fisch des Trips
Jubel über den ersten Fisch des Trips

Gedanklich ist bin ich abwesend – beim Grübelm und der innerlichen Beantwortung seiner Fragen und genau in diesem Moment spüre ich einen Zug an der Schnur. Erst ganz sanft und ganz plötzlich explodiert die Schnur. Für eine Sekunde denke ich an einen Hänger, doch der Hänger liegt eine halbe Sekunde später schon in der Luft. Eine Steelhead hat die Intruderfliege gepackt und katapultiert sich mit voller Größe aus dem Wasser. Ich versuche den Fisch zu bremsen und will auf keinen Fall einen Vorfachbruch riskieren. Der Herzschlag rast und die Finger fangen an zu zittern. Ich versuche in der Strömung einen stabilen Halt am Flussgrund zu finden und bewege mich langsam zur Kiesbank. Die Fischer um mich herum holen Ihre Ruten ein gehen aus dem Wasser. Mehrfach springt der Fisch und versucht den Haken loszuwerden. Nach einigen Minuten eines sehr aufregenden Drills kommt der Fisch in seichtes und ruhiges Wasser und die Fluchten werden deutlich schwächer. Selbst schwimmt der Fisch in so flaches Wasser, dass er auf die Seite kippt. Ich gehe schnellen Schrittes zu ihm und meine erste Steelhead liegt vor mir. Der Puls rast nach wie vor. Schnell löse ich mit zitternden Fingern den Haken und es wird ein schnelles Foto geschossen. Ich halte den Fisch in die Strömung und sanft entgleitet er meinen Fingern. Er setzt seine Reise flussauf fort als ob nichts gewesen ist. Mein Jubelschrei ist sicherlich bis in den Ort zu hören.
Natürlich wird bis in die Dämmerung weiter gefischt. Diesen Tag am Pool des „Zweifler Hauses“ werde ich nie vergessen und danach konnte ich noch einige Steelheads auf eigene Faust überlisten. Sobald ein Fisch die Fliege packt sind alle Fragen beantwortet und alle Zweifel vom Tisch. An einem Abend in einer Bar mit Fischern sagt ein Kanadier: „Doubt is the steelheaders enemy“.

Wie Recht er doch hat!

R.R.
(Text und Fotos: Ralf Raacke)

Morgenstimmung am Fluss
Wunderschöne Steelhead am Morice

 

Grizzly Bär am Rande des Morice Rivers unterwegs
Grizzly Bär am Rande des Morice Rivers unterwegs

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