Fliegenfischen auf Karpfen

Karpfen im Badesee

Neulich im Biergarten erzählte mir ein Kollege aus dem Verein von einem Badeausflug mit seiner Familie am hiesigen Badesee. Mehr oder weniger interessiert folgte ich den weiteren Erzählungen des Kollegen über seine familiären Erlebnisse. Als er jedoch begann, von patroullierenden Karpfen im „Nichtschwimmerbereich“ zu erzählen wurde ich hellhörig. Die Aussage, „die stürzen sich auf ganze Semmeln“ ließ mir förmlich das Blut in den Adern gefrieren. Schnell bestellte ich bei der hübschen Bedienung im Dirndl noch ein weiteres Weizenbier, um von den freundlich plaudernden Fischerkollegen noch mehr Informationen zu erhalten. Es war einer dieser wenigen lauen Abende im Jahr mit „Biergartentemperatur“. Da ich diese Woche Urlaub hatte und der Wetterbericht noch weitere heiße Tage prognostizierte beschloss ich kurzerhand, dem Badesee einen Besuch abzustatten.

Karpfen

Früh am nächsten Morgen; Stille liegt über dem idyllisch, zwischen den Bergen gelegenen See und kein Lüftchen regt sich. Die ersten Sonnenstrahlen schaffen den Weg über die Gipfel der umliegenden Berge auf die Seeoberfläche. Gott sei Dank sind noch keine „Bademützen“ auszumachen, die Ihrem Morgensport nachgehen. Vorsichtig pirsche ich mich zur besagten Stelle, um mir die Sache etwas näher ansehen zu können. Den Ort habe ich mir gestern noch genau beschreiben lassen. Dort angekommen kann ich sogleich einige große Karpfen beobachten. Mein Kollege hatte also Recht. Erstaunlich, die Fische halten sich teilweise im knietiefen Wasser, nah am Ufer auf und sind fleißig auf der Suche nach Nahrung. Auf der Seeoberfläche sehe ich einige Brot- und Semmelreste treiben. Ab und an verschwindet ein solches Stückchen in Begleitung einer großen Bugwelle. Offenbar hat der Kioskbesitzer die Brotreste von gestern großzügig an die Fische verfüttert. Meist ohne zu zögern schwimmen die Fische auf das Brot zu, um es sogleich einzusaugen. Auch kapitale Karpfen kann ich beim Fressen der Brote beobachten. Schon ist die Idee geboren, es dort mit der Fliegenrute auf kapitale Karpfen zu versuchen.

Sofort telefoniere ich mit einem Freund aus dem Verein. Schnell ist der Pächter des Fischereirechts ausfindig gemacht. Dieser lädt mich großzügigerweise ein, gleich am nächsten Morgen meine Idee zu verwirklichen. Dass es entscheidend sein wird, bei Sonnenaufgang vor Ort zu sein wusste nicht nur der Pächter des Sees. Voller Vorfreude mache ich mich also am nächsten Morgen auf den Weg zum Badesee. Der Wetterbericht hat für heute den Höhepunkt der Hitzewelle vorhergesagt – Idealbedingungen zum Karpfenfischen also. Am See angekommen bin ich wiederum ganz alleine. Mitgenommen habe ich eine kräftige Fliegenrute der Schnurklasse # 7. Diese ist bestückt mit einer Großkernrolle mit zuverlässigem Bremssystem. Die Wichtigkeit eines guten Bremssystems sollte bei dieser Art der Fliegenfischerei wohl jedem klar sein. Auch das Vorfach besitzt, aufgrund der heftigen Schläge schwerer Karpfen, einen „Shockabsorbing“-Teil. Da die Karpfen, die ich befischen will offenbar Brot gewöhnt sind, wähle ich als Fliege eine aus gebleichtem Rehhaar gebundene Brotkruste. Vorsichtig pirsche ich mich wieder an die Stelle, die ich bereits gestern besucht hatte.

Karpfen

Ich positioniere mich hinter einem Busch und beobachte behutsam die patroullierenden Karpfen. Sogar ein großer Graskarpfen schwimmt gemeinsam mit den Spiegelkarpfen seine Runden. Ich spüre, wie mein Puls bis zum Halse schlägt. Ich kann es kaum erwarten. Innerlich jedoch verspüre ich Angst, entscheidende Fehler zu machen. Immer wieder kreisen die gleichen Gedanken in meinem Kopf: Ist die Bremse richtig eingestellt? Habe ich das Vorfach richtig gewählt? Wie setze ich den Anhieb? Wird die Brotimitation überhaupt funktionieren? Um mich nicht wahnsinnig zu machen, starte ich den ersten Versuch… Unter größter Anspannung und mit zittrigen Händen löse ich die Brotimitation aus der Fliegeneinhängeöse und ziehe ein paar Meter Schnur von der Rolle. Ich stehe langsam und vorsichtig auf. Eine passende Stelle, den Köder aufsetzen zu lassen habe ich bereits fest fixiert. Mit zwei Leerwürfen bringe ich den Köder punktgenau auf die Stelle…Zielstrebig schwimmt der erste Karpfen auf die Fliege zu. Ohne zu zögern saugt der Fisch die Fliege ein. Sofort quittiere ich mit einem harten Anhieb. Und… verliere den Fisch… Wahrscheinlich habe ich den Anhieb zu schnell und zu hart durchgeführt. Geduldig gehe ich wieder in Deckung und lasse wieder Ruhe in die Situation einkehren. Da ich nun weiß, dass die Methode mit der Brotfliege definitiv funktioniert, kann ich mich beim nächsten Wurf voll und ganz auf den Anhieb konzentrieren.

Karpfen

Ich beobachte aufmerksam die Situation und fixiere eine geeignete Stelle. Den Köder lasse ich dieses mal etwas heftiger aufkommen. „Platsch“. Ein größerer Fisch hat dies bemerkt. Er ändert sofort seinen Kurs und beschleunigt in Richtung des Köders. Genüsslich saugt er die Fliege ein. 1 Sekunde warten. Weicher Anhieb. Und los geht’s. Das Wasser scheint zu explodieren und der Fisch gibt richtig Gas! Der Karpfen setzt sein Gewicht voll ein. Er zieht Schnur ab und ist kaum zu bremsen. Ich ziehe die Bremse fast komplett zu und drille den Fisch relativ hart. Nach 10 Minuten halte ich den Karpfen in meinen Händen. Der Fisch, der mir einen unglaublichen Drill beschert hat kann sich wirklich sehen lassen. Vorsichtig setze ich den Fisch wieder zurück und begebe mich auf den Rückweg zum Auto. Gerade noch rechtzeitig. Die ersten Badegäste kommen bereits um die Ecke und denken sie seien heute die ersten am See…

Karpfen

Am Abend berichtete ich meinem Kollegen beim kühlen Weizenbier im Biergarten von meinem Ausflug an den Badesee…

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