2:1 für die Bachforellen

Kennen Sie die Situation? Das Wetter ist traumhaft, die Wasserstände sind perfekt und die Fische sind eifrig am fressen. Aber es ist ein Sonntag an einem Kurswochenende – es gibt viel zu tun. Hier in Siegsdorf wird die Situation natürlich noch deutlich erschwert, da man von den Büroräumen die fressenden Forellen beobachten kann. Da ist schon echte Disziplin gefragt. Erschwerend kommt noch hinzu, dass am Abend noch ein wichtiges Fußballspiel der deutschen Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft ansteht. Die Entscheidung ist also nicht nur Arbeit oder Fischen, sondern auch noch Fußball oder Fischen. Bevor man darüber intensiver nachdenken kann sind eine Menge Mails beantwortet, Telefonate geführt, Kunden bedient und es wurden neue Produkte sondiert. Der Tag ging wie im Fluge vorbei. Die Sehnsucht fischen zu gehen ist nun in das Unermessliche gestiegen und nach all dem Trubel des Tages möchte ich einfach nur noch allein mit dem Gewässer sein. Der ideale Ort für eine echte einsame „Indianerfischerei“ ist die Rote Traun. Bis zum Anstoß des mit Spannung erwarteten Fußballspiels sollte es doch möglich sein, den einen oder anderen schönen Fisch an der Roten Traun zu überlisten. Also begebe ich mich dorthin. Im Schutze der vielen Erlen am Ufer des Gewässers ist es deutlich kühler. Die angenehme Frische kühlt den Körper sofort runter und gleichsam merkt man wie Kopf und Geist sich entspannen. Es ist einfach eine Wohltat!Rote Traun

An der Roten Traun gilt die wichtige Regel: wer in das Wasser geht verliert! Die Fische sind hier sehr scheu und keinerlei Beunruhigung gewohnt. Jede Erschütterung oder jeder zu schnell bewegte Watschuh sorgt dafür, dass die Fische ihr Fressen sofort einstellen. Zu Beginn des Abends war noch nicht viel Aktivität am Wasser festzustellen. Bei der Pirsch entlang des Gewässers waren nur vereinzelt fressende Fische zu finden. Hier und da konnte ich die eine oder andere kleinere Bachforelle mit einer Nymphe überlisten. Das war aber nicht das was ich mir vorgestellt oder erhofft hatte. Ich wollte einen schönen Fisch mit der Trockenfliege überlisten! Fischend am Fluss habe ich die Uhr völlig aus dem Auge verloren und musste feststellen, dass der Anpfiff zum Spiel des deutschen Teams schon bald bevor stand. Die erkennbar zunehmende Aktivität der Fische hielt mich am Wasser. Hier und da sind Ringe an der Oberfläche zu entdecken. Ein wirklich guter Fisch sollte es noch sein! Hier an der Roten Traun setzte ich die seit Jahrzehnten bewährte Technik von einem alten Traunfischer ein: die große Trockenfliege quer über das Wasser auf die Randsteine werfen und langsam über das Wasser zupfen. Gerade große Steinfliegen fischt man so hervorragend! Plötzlich ein Schwall und eine große Bachforelle schießt auf meine Steinfliege.

Rote Traun

Was tun? Weiter fischen oder Fußball schauen? In 9 Minuten beginnt das Spiel! Ein Unentschieden gegen Dänemark würde die Teilnahme am Viertelfinale bedeuten. Kurzerhand beschließe ich die nächsten 90 Minuten auch im Verhältnis 1:1 aufzuteilen. Das heißt ich werde 45 Minuten fischen und 45 Minuten Fußball schauen. Also marschiere ich zur nächsten Kurve, wo ich genauestens den Auslauf der Kurve beobachte. Genau dort kann ich eine sehr gute Bachforelle beim Fressen beobachten. Langsam und vorsichtig versuche ich eine gute Ausgangsposition zu erreichen. Ich weiß, dass ich nur einen Versuch haben werde. Ich platziere die Fliege und führe diese aktiv über die Oberfläche. Die Bachforelle beschleunigt und attackiert meine Steinfliege. Ich freue mich schon innerlich. Allerdings spüre ich keinen Widerstand und die Schnur bleibt schlaff. Enttäuschung macht sich breit. Der Fisch hat die Fliege verfehlt und ist verschwunden. Also gehe ich zur nachfolgenden tiefen Rinne an der ich erneut mein Glück mit der bewährten Technik versuche. Durch die Dämmerung und die Bäume sehe ich die große Fliege kaum noch. Die Fliege landet in der Nähe des Ufersteins und vorsichtig zupfe ich die Fliege ins Wasser. Es dauert keine 2 Sekunden und eine recht große Bachforelle nimmt die Fliege vehement und mit großem Schwall. Diesmal sitzt der Haken. Sie versucht sofort in das Unterholz und Wurzeln zu fliehen. Nach ein paar heftigen Fluchten und Sprüngen halte ich die traumhafte Bachforelle in meinen Händen.

Rote Traun

Glücklich, ausgeglichen und zufrieden mache ich mich auf den Heimweg. Hierbei muss ich feststellen, dass mehr als 60 min des Fußballspiels bereits vorbei sind. Das Ende des Spiels schaue ich mir noch gemütlich im örtlichen Wirtshaus an. Heute waren die Bachforellen wohl deutlich interessanter als das Fußballspiel.Ich verbrachte nämlich 2/3 der wichtigsten 90 Minuten des Tages am Wasser und 1/3 vor der Leinwand. Ich würde sagen, dass es ein 2:1 Sieg für die Bachforellen der Roten Traun war. Und zudem hat Deutschland 2:1 gegen Dänemark gewonnen. Jetzt freuen wir uns alle schon auf das Spiel gegen Griechenland.
Und wieder warten zwei Gegner…

Rote Traun

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